Montag, 26. April 2010

Der Mossad und die deutschen Geheimdienste


Gehlens Erben und die «Blaumeise»
Der Mossad und die deutschen Geheimdienste kooperieren seit den späten 1950er Jahren eng

Als im Oktober 1991 eine als land- und forstwirtschaftliches Gerät getarnte Lieferung von Material der ehemaligen NVA im Hamburger Hafen von der Wasserschutzpolizei entdeckt wurde, für die BND-Mitarbeiter verantwortlich waren und deren Zielort Israel sein sollte, war das Erstaunen in Presse und Öffentlichkeit groß. Von Waffenschmuggel und illegalen Rüstungsgeschäften war die Rede. Es kam sogar zum Gerichtsprozess gegen zwei BND-Männer, der jedoch mit einem Freispruch endete. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass es sich um einen politisch gewollten und keineswegs unüblichen Vorgang handelte, bei dem es quasi lediglich zu Formfehlern gekommen war. Gab es da etwa einen Aspekt der deutsch-israelischen Beziehungen, welcher der Allgemeinheit bislang verborgen geblieben war?

In der Tat ist dieses bilaterale Verhältnis - von Städtepartnerschaften und Jugendaustausch über Wissenschaftskooperation bis hin zu diplomatischen Kontakten - wie kaum ein anderes öffentlich beleuchtet worden. Häufig wurde es hierbei als eine Einbahnstraße dargestellt: Deutschland als Geber, Israel als Nehmer. Die Wenigsten wussten jedoch darüber Bescheid, dass es auch im Sicherheitsbereich seit langem eine enge Zusammenarbeit gab, von der nicht zuletzt die Bundesrepublik enorm profitierte. Denn diese Partnerschaft wurde lange Zeit geheim gehalten. Die Gründe dafür lagen zum einen in der Natur der Sache selber. Zum anderen war die Zusammenarbeit mit hohen politischen Risiken versehen, denn die BRD wollte ihr Verhältnis zu den arabischen Staaten nicht aufs Spiel setzen und Israel wollte einen Aufschrei ob der sensiblen Kontakte mit den Deutschen in der eigenen Bevölkerung vermeiden.

«Kooperieren mit dem Teufel!»

Die Zusammenarbeit zwischen BND und Mossad begann 1957 und kam wahrscheinlich auf Initiative des Chefs des deutschen Auslandsnachrichtendienstes, Reinhard Gehlen, zustande. Möglicherweise wurde der erste Kontakt über die damalige israelische Mission in Köln aufgenommen, deren Aufgabe in der Umsetzung des Luxemburger Abkommen über die so genannte «Wiedergutmachung» bestand und in der auch ein einfacher Mossad-Mitarbeiter stationiert war. Die Voraussetzungen für weitere Kontakte waren jedoch keineswegs einfach: Auf israelischer Seite waren die Vorbehalte gegenüber Gehlen, der während des Dritten Reichs Chef des Wehrmachtsdienstes Fremde Heere Ost gewesen war, groß. Es wäre nicht übertrieben zu behaupten, dass der BND von alten Nazis geradezu durchsetzt war. Einige arbeiteten als inoffizielle Mitarbeiter in arabischen Ländern, wo sie häufig mit offenen Armen empfangen worden waren. Zudem unterhielten Israel und die BRD trotz des Luxemburger Abkommens von 1952 keine offiziellen diplomatischen Beziehungen.

Andererseits sah der damalige Mossad-Chef, Isser Harel, die Notwendigkeit, mit den Westdeutschen zu kooperieren, da Israel jeden Verbündeten brauchte und es sich nicht leisten konnte, aus moralischen Gründen oder persönlichen Emotionen heraus eine Zusammenarbeit abzulehnen, die für die Sicherheit des jungen Jüdischen Staates wichtig sein konnte. Dies bedeutete natürlich nicht, dass man die Vergangenheit vergessen wollte. Doch setzte sich nach zahlreichen internen Querelen beim Mossad schließlich die pragmatische Linie Harels durch, die er gegenüber seinen eigenen Leuten lautstark mit den Worten zusammenfasst haben soll: «Für die Sicherheit Israels kooperieren wir sogar mit dem Teufel.»

So waren nicht zuletzt für den Mossad auch Erkenntnisse der deutschen Seite wichtig, die diese durch ihre Informanten in arabischen Ländern sammelte. Umgekehrt hatten die Deutschen den Beitrag des Mossads zum erfolgreichen Sinai-Feldzug Israels 1956 wahrgenommen und wussten um dessen Netz von Agenten in Osteuropa. Sie benötigten dringend Informationen über die DDR und die anderen Staaten des Warschauer Paktes. Dies umso mehr, nachdem der BND durch den Verrat seines langjährigen Mitarbeiters Heinz Felfe einen Großteil seiner geheimen Quellen im Ostblock verloren hatte.

Gehlen beauftragte seinen Vertrauten, General Wolfgang Langkau, der auch Verbindungsoffizier des BND für den Kontakt mit den Israelis war, den deutschen Auslandsnachrichtendienst neu aufzubauen. Bis aber neue Agentennetze geschaffen werden konnten, musste der Mangel an Quellen durch eine intensivierte Kooperation mit einem anderen Dienst überbrückt werden, der in der Lage war, den BND mit aktuellen Informationen zu versorgen, die dieser dann der Regierung als seine eigenen präsentieren konnte. Die britischen und französischen Dienste kamen dafür nicht infrage, da sie zum einen mit Konflikten, die sich aus dem Rückzug aus den Kolonien ergaben, beschäftigt waren, zum anderen den Deutschen nicht trauten und diese auch aus den nachrichtendienstlichen Beziehungen zu afrikanischen Staaten heraushalten wollten, welche im Kontext des Kalten Kriegs zunehmend an Bedeutung gewannen. In eine erneute Abhängigkeit von den Amerikanern hingegen - die ja seinen Dienst mitgegründet hatten und von denen er sich erst einige Jahre vorher emanzipiert hatte - wollte Gehlen sich nicht begeben. So fiel die Wahl auf die Israelis. Der BND war vor allem an einer ganz besonderen Quelle des Mossads interessiert: den Befragungen von jüdischen Emigranten, die aus den Warschauer-Pakt-Staaten nach Israel kamen.

BND auf dem Prüfstand

Harel wusste allerdings, dass der westdeutsche Dienst von sowjetischen Agenten infiltriert war, und er hatte auch Vorbehalte wegen der Kontakte des BND zu arabischen Staaten. Deshalb entschied er sich dafür, die Deutschen zunächst einmal auf die Probe zu stellen. So ließ er sie gewisse Informationen beschaffen, die dem Mossad bereits vorlagen, ohne dass die deutsche Seite dies wusste. Auch ließ er den BND im Rahmen diverser Operationen Mossad-Mitarbeiter in osteuropäische Länder hinein- und hinausschmuggeln und bei der Organisation der Einwanderung von Juden aus diesen Ländern nach Israel helfen. Die Ergebnisse stellten ihn anscheinend zufrieden, denn er beschloss, die Zusammenarbeit mit dem BND zu vertiefen. So wurde der erste Mossad-Verbindungsoffizier, Chaim Yizchaki, nach Deutschland geschickt, um in der Israelischen Mission als Chauffeur getarnt zu arbeiten. Im Winter 1960/61 kam es dann zum ersten Besuch Harels im BND-Hauptquartier in Pullach.

Gehlen bot dem Mossad, der im BND-Jargon den Decknamen «Blaumeise» bekam, unter anderem operative Freiheit auf deutschem Boden sowie Unterstützung an. Er soll den Israelis sogar Kopien oder zumindest Ausschnitte des täglichen Lageberichts seines Dienstes an den Bundeskanzler offeriert haben. Im Gegenzug verlangte er vom Mossad Informationen über die Warschauer-Pakt-Staaten.

In der Folgezeit kam es zu immer häufigeren Besuchen anderer Mossad-Offiziere in Pullach. Beauftragt mit der Verbindung zu den Israelis wurde General Langkau, bekannt unter den Decknamen Langendorf oder Holten. Er schätzte die Professionalität und Verlässlichkeit der israelischen Informationen sehr und entwickelte gute persönliche Beziehungen zu Harels Nachfolger Meir Amit. Auf israelischer Seite war der Mossad-Resident in Paris, Shlomo Cohen, für den Kontakt zum BND verantwortlich.

Cohen verstand sich darauf, Personen für eine nachrichtendienstliche Arbeit anzuwerben, sie jedoch dabei im Glauben zu lassen, sie arbeiteten für ein anderes Land. So rekrutierte er einige arabische Diplomaten in Bonn und ließ sie glauben, dass sie für die NATO oder sogar die Deutschen arbeiten würden. Der BND duldete dies gemäß der Vereinbarung zwischen Gehlen und Harel - und unterstützte wo nötig. Diese Operationen «unter falscher Flagge» halfen dem Mossad, wertvolle Informationen über arabische Staaten zu gewinnen. Gerade die Beschaffung aus arabischen Ländern war nach dem Rückzug der Franzosen und Briten aus dem arabischen Raum schwieriger geworden, da man als Ausländer aus dem Westen nicht mehr so einfach operieren konnte und das damit erhöhte Risiko, enttarnt zu werden, auch eine Gefahr für die lokalen jüdischen Gemeinden bedeutete.

Von deutscher Seite kamen neue kooperative Leistungen hinzu. Selbst ehemalige Nazis wie Otto Skorzeny, Hitlers Offizier für besondere Operationen, Befreier Mussolinis aus dessen Gefangenschaft auf dem Gran Sasso und später mutmaßlicher Kopf der Organisation der ehemaligen SS-Angehörigen (ODESSA), wurde als Waffenhändler mit Sitz in Madrid vom Mossad eingespannt. Auch diente er den Diensten mit Informationen aus dem Umfeld ehemaliger Nazis. Einige von ihnen arbeiteten später sogar auf die eine oder andere Weise mit dem Mossad zusammen - nach der Entführung Adolf Eichmanns nicht zuletzt auch aus Furcht vor dem israelischen Geheimdienst.

Operation «Damokles»

Die operative Freiheit auf bundesdeutschem Boden nutzte der Mossad unter anderem, um gegen deutsche Wissenschaftler vorzugehen, die im Dritten Reich am V2-Programm in Peenemünde mitgearbeitet hatten und in den 1950er Jahren von Ägypten angeworben worden waren. Jene Forscher sollten nun ein hochwirksames Raketenprogramm für Präsident Nasser entwickeln. Aus Israels Sicht waren die Raketen, die in Ägypten unter deutscher Leitung hergestellt wurden, deren Technologie jedoch an Instituten in der BRD entwickelt wurde, eine unmittelbare Bedrohung. Harel gab die Order aus, die Wissenschaftler zu finden und sie davon abzuhalten, diese Arbeit fortzuführen. Durch seine Recherchen kam der Mossad auf eine ägyptische Tarnfirma namens «Intra-Händel» in Stuttgart, welche die Zusammenarbeit mit den deutschen Wissenschaftlern koordinierte und Material für das Raketenprogramm lieferte. David Ben-Gurion lehnte es jedoch ab, direkt bei Kanzler Adenauer zu intervenieren, da er die damals gleichzeitig laufenden deutschen Waffenlieferungen an Israel nicht aufs Spiel setzen wollte. Stattdessen leitete der Mossad Maßnahmen ein, die unter dem Namen Operation «Damokles» bekannt sind. Bis 1965/66 hatten die meisten deutschen Wissenschaftler Ägypten verlassen. Im Yom-Kippur-Krieg kamen die mit deutscher Hilfe entwickelten Raketen zwar noch zum Einsatz. Sie konnten jedoch nicht den befürchteten und für den Kriegsausgang entscheidenden Schaden anrichten, da ihnen ein Navigationssystem fehlte.

Der BND war in Bezug auf Israel auch in anderer Hinsicht aktiv: bei der Abdeckung und Abwicklung geheimer Rüstungslieferungen aus der BRD. Die Aufgabe der Dienste bestand darin, darauf zu achten, dass die Lieferungen selbst gegenüber befreundeten Staaten geheim blieben. Zu diesem Zweck verzichtete man nach Möglichkeit auf Schriftliches, ließ die Gelder über Bankkonten fließen, welche von Agenten beider Dienste unterhalten wurden, und entfernte alle Markierungen, die darauf hindeuteten, dass die Waffen aus der BRD kamen.

Ein besonderes Kapitel deutsch-israelischer Geheimdienstbeziehungen ist auch der umfangreiche wehrtechnische Austausch. Die Israelis hatten über die Jahre hinweg zahlreiche Waffensysteme sowjetischer Bauart von ihren arabischen Gegnern erbeutet. Mit solchen oder ähnlichen Systemen sah sich die BRD im Konfliktfall mit dem Warschauer Pakt konfrontiert. Es galt folglich, in ihren Besitz zu gelangen, um sie testen zu können und die eigenen Waffensysteme dementsprechend anzupassen beziehungsweise weiterzuentwickeln. Die Abwicklung des Austauschs oblag den Nachrichtendiensten. Nicht zuletzt wurde der BND von deutscher Seite damit betraut, um im Falle eines Bekanntwerdens das Kanzleramt von jeglichen Vorwürfen der Mitwisserschaft zu entlasten. Ein solcher Fall trat im eingangs erwähnten Skandal um die über den Hamburger Hafen abgewickelten Lieferungen auf.

«Cerberus» und Bargeldkoffer

Die Abwicklung von «Cerberus», einem der geheimsten Rüstungsprogramme der BRD lief ebenfalls über die Geheimdienste. Es handelte sich hierbei um die Entwicklung eines Radarstörsenders für die Tornados der Bundeswehr durch Israel - ein System, das in den Worten eines ehemaligen BND-Präsidenten «für Aufklärungs- und Kampfzwecke unerläßlich» war. Die Bedeutung von «Cerberus» geht nicht zuletzt daraus hervor, dass die Finanzierung durch den BND zumindest in den ersten Jahren abgewickelt wurde, indem Beamte des Dienstes sprichwörtlich mit Bargeld in Koffern nach Israel reisten. Der Name des Systems tauchte nicht einmal im Haushaltsplan der Bundesregierung auf.

Selbst auf dem hochsensiblen Gebiet der Gegenspionage arbeiteten der deutsche Auslandsnachrichtendienst und der Mossad eng zusammen. 1970 reisten beispielsweise Mitarbeiter der BND-Unterabteilung für Sicherheit nach Israel, um dort ehemalige jüdische Mitarbeiter des polnischen Nachrichtendienstes UB zu befragen. Diese waren nach der Antisemitismuswelle von 1968 übergelaufen. Durch die Befragungen konnte die KGB-Agentin Ursula Bulla, frühere Sekretärin des stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Wilhelm Mellies, enttarnt werden.

Gemeinsam hörten die Dienste mitunter auch verschlüsselte Botschaften von arabischen Staaten ab. Dabei kam es dann zu einem intensiven Austausch zwischen Kryptographieexperten beider Seiten. Der Mossad hatte mehr technische und sprachliche Erfahrungen in diesem Bereich, die Deutschen hingegen größere Kapazitäten. BND- und BfV-Mitarbeiter wurden in arabischen Familien in Israel untergebracht, um ihre Sprachfähigkeiten im Arabischen zu verbessern.

Im Mai 1972 fand im Flüchtlingslager Badawi im Libanon auf Einladung palästinensischer Organisationen eine internationale Konferenz von Terroristengruppen statt. An dieser Konferenz nahmen auch RAF-Mitglieder teil, die in den Folgejahren mit palästinensischen Terrorgruppen zusammenarbeiteten. Der Mossad erfuhr von der Teilnahme der deutschen Terroristen und beschloss, seine guten Kontakte zum BND zu benutzen, um mehr über die Aktivitäten der PLO in Europa zu erfahren. In der Folge kam es auch zu einer engeren Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz.

Mit dem aus dem Nahen Osten nach Europa schwappenden Terrorismus waren die deutschen Dienste vollkommen überfordert, wie der Überfall auf die israelische Olympia-Mannschaft und ihre anschließende Ermordung 1972 in München zeigte. Israel intensivierte in der Folge seinen Informationsaustausch mit dem Verfassungsschutz. Vom BND erhielten die Israelis im Gegenzug Informationen über die Unterstützung palästinensischer Terrorgruppen durch den Ostblock. Der Verfassungsschutz stellte einen direkten Kontakt her zwischen David Kimche und dem Chef des Bundeskanzleramts, Manfred Schüler, der ab 1975 auch für die Koordination der bundesdeutschen Nachrichtendienste zuständig war. Es wurde vereinbart, dass Schüler regelmäßig Unterrichtungen des Mossad über die Terrorszene erhalten sollte, die er dann an Kanzler Schmidt weiterleitete. So kam es, dass die deutsche Seite es auch tolerierte, wenn der Mossad Informanten aus dem Milieu palästinensischer Studenten in der BRD rekrutierte.

Auf den Spuren der RAF

Im Januar 1976 wurden drei palästinensische Terroristen in Nairobi festgenommen, die geplant hatten, eine El Al-Maschine bei der Landung auf dem Flughafen mit Raketenwerfern zu beschießen. Die kenianischen Behörden waren vom Mossad gewarnt worden, der wiederum die Informationen von Quellen aus dem Sympathisanten-Umfeld der RAF erhalten hatte. Die Festnahme der Palästinenser wurde geheim gehalten. Kurz darauf kamen zwei deutsche Terroristen, Brigitte Schulz und Thomas Reuter, in Nairobi an, um herauszufinden, was aus ihren palästinensischen Kollegen geworden war. Auch sie wurden von den Kenianern festgenommen und wie die Palästinenser zuvor dem Mossad übergeben, der sie nach Israel ausflog. Informationen aus dem Verhör wurden schließlich dem Verfassungsschutz übergeben. Ebenso erhielten die Deutschen später einen Teil der Unterlagen über das Training deutscher Terroristen in palästinensischen Lagern, welche die Israelis bei ihren Operationen im Libanon 1978 und 1982 erbeuten konnten. Diese Dokumente halfen den bundesdeutschen Behörden dabei, bekannte RAF-Terroristen zu verfolgen und bestimmte Unterschlupfmöglichkeiten und Waffendepots in der BRD ausfindig zu machen.

Der BND erfüllte für die Israelis auch die Funktion eines Kanals zu einem ihrer Hauptfeinde, mit dem bis heute keine offiziellen diplomatischen Beziehungen unterhalten werden: dem Iran. Auf Vermittlung des BND und unter Aufsicht von Staatsminister Bernd Schmidbauer, dem damaligen Koordinator der deutschen Nachrichtendienste, verhandelten die Israelis Mitte der 1990er Jahre mit dem iranischen Geheimdienstminister, Ali Fallahian, im Bonner Kanzleramt über einen Austausch von gefangenen und gefallenen Soldaten. Nicht zuletzt ging es dabei auch um Informationen über das Schicksal des entführten israelischen Piloten Ron Arad. 1996 kam es zum ersten Austausch von gefangenen Hisbollah-Kämpfern und den sterblichen Überresten israelischer Soldaten. Weitere folgten.

Die Verhinderung der Proliferation von Massenvernichtungswaffen stellt ein weiteres Feld gemeinsamer Interessen der beiden Dienste dar. So hatten BND und Mossad schon Jahre vor dem Golfkrieg von 1991 Informationen über die Aufrüstung des Irak ausgetauscht. Doch hatte die deutsche Regierung vor der Besetzung Kuwaits nicht so recht an die Gefahr glauben wollen, die von Saddam Hussein ausging. Auch der israelische Außenminister, Moshe Arens, konnte im Dezember 1990 den deutschen Kanzler nicht von der Gefahr überzeugen, obwohl einige seiner Informationen aus deutschen Quellen stammten. Es bedurfte eines Besuches hochrangiger Mossad-Offiziere bei Kohl, um ihn schließlich dazu zu bewegen, Israel durch Rüstungslieferungen bei seiner Verteidigung zu unterstützen.

Gemeinsame Interessen bleiben

Die deutsch-israelische Zusammenarbeit im Bereich der Nachrichtendienste wird bis heute von einer Vielzahl gemeinsamer Interessen und gemeinsamer Bedrohungen motiviert. Sie kam vor allem deshalb zustande, weil jede Seite besondere Fähigkeiten oder Möglichkeiten hatte, über die der Partner nicht verfügte. Die Interessensüberschneidungen waren dabei so stark, dass man auch historisch-emotionale Hindernisse zugunsten pragmatischer Kooperation überwand. Veränderungen in der Bedrohungslage haben der Zusammenarbeit keinen Abbruch getan. Vor allem aber wurde diese Kooperation auch in Zeiten fortgeführt, in denen es auf offizieller diplomatischer und politischer Ebene Verstimmungen gab. Denn beide Seiten profitierten davon enorm. Auch in der Gegenwart sind beide Länder mit Gefahren für ihre Sicherheit konfrontiert: Internationaler islamistischer Terrorismus, Massenvernichtungswaffen und regionale Instabilität - um nur einige zu nennen. Als neue Herausforderungen werden sie die nunmehr seit fast fünf Jahrzehnten existierende Zusammenarbeit der Nachrichtendienste beider Länder auch in Zukunft ansprechen.

Yves Pallade


http://www.j-zeit.de/archiv/artikel.473.html